Russlandembargo lässt Marken schwinden

Frankfurter Allgemeine Zeitung5. Februar 2025S. R. Huebner und A. Cioclei
Aktualisierte Fassung

Seit dem 23. Februar 2025, drei Jahre nach Beginn des verschärften Russlandembargos, müssen mehr und mehr europäische Unternehmen mit dem Verlust ihrer Marken in Russland rechnen. Hilfe könnte von unerwarteter Seite kommen: den russischen Gerichten.

Das russische Patent- und Markenamt führt in seinem Markenregister die Marken vieler europäischer Unternehmen und garantiert ihnen so Schutz gegen Nachahmer auf dem russischen Markt. Allerdings müssen die Unternehmen ihre im Markenregister eingetragenen Marken auch tatsächlich benutzen. Diese Benutzungspflicht ist keine russische Besonderheit, sondern ein allgemeiner Grundsatz, der auch zum Beispiel in der Europäischen Union gilt. Wenn eine Marke nicht mehr verwendet wird, und sei es auch nur für bestimmte Waren, kann ein Anderer die Marke für diese Waren löschen lassen und sie oder eine ähnliche Marke für sich selbst neu anmelden. In Russland gilt eine Marke als löschungsreif, wenn sie für die Dauer einer dreijährigen Schonfrist nicht in ernsthaftem Umfang benutzt worden ist.

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine hat die Europäische Union immer umfassendere Exportverbote verhängt. Das erste Sanktionspaket trat am 23. Februar 2022 in Kraft. Deshalb werden nun nach und nach zahlreiche europäische Markenwaren den Punkt erreichen, an dem sie 3 Jahre lang nicht mehr in Russland angeboten wurden. Inzwischen fallen unter die Ausfuhrverbote Luxusprodukte genauso wie Kraftfahrzeuge und sogenannte Dual-Use-Produkte, also Güter, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke geeignet sind. Die Verbote zwangen die Hersteller solcher Produkte dazu, diese in Russland vom Markt zu nehmen. Man kann annehmen, dass Trittbrettfahrer, die sich diese Marken aneignen möchten, bereits in den Startlöchern stehen und die verbleibenden Tage zählen. Was können Markeninhaber dagegen tun?

Jedenfalls sollten sie Löschungsversuche nicht tatenlos hinnehmen, sondern ihre Marken verteidigen. Zum Erfolg könnte hierbei das Argument führen, dass das Exportverbot, das den Rückzug vom russischen Markt erzwungen hat, eine Form höherer Gewalt ist, die die Benutzungsschonfrist hemmt. Dass Markeninhaber gute Aussichten haben, ihre Marken erfolgreich zu verteidigen, hat einen einfachen wirtschaftspolitischen Grund: Russland hat ein Interesse daran, dass ausländische Unternehmen nach dem Ende der Sanktionen auf den russischen Markt zurückkehren. Diese Rückkehr aber würde erschwert, wenn die Unternehmen in Russland ohne ihre Marken dastünden.

Bei einer Entscheidung zugunsten des Markeninhabers könnte sich ein Gericht auf ähnliche Fälle aus der Vergangenheit stützen: Als Russland vor mehr als einem Jahrzehnt Importverbote für Wein und einige Jahre später für Milchprodukte verhänge, wurde entschieden, dass die ausländischen Milchprodukt- und Weinmarken nicht gelöscht werden dürfen, weil Importverbote den Ablauf der Benutzungsschonfrist hemmen. Der Weg von solchen Importverboten zu den aktuellen Exportverboten ist nicht weit, denn beide liegen außerhalb der Kontrolle der Markeninhaber, und genau dies ist die übliche Definition von "höherer Gewalt". Tatsächlich hat das russische Gericht für geistiges Eigentum kürzlich entschieden, dass auch ein argentinisches Exportverbot für bestimmte Rindfleischteile die Nichtbenutzung einer Marke in Russland für diese Waren entschuldigen kann. Sogar mit dem aktuellen Russlandembargo hat sich bereits ein Gericht befasst und in einem Löschungsverfahren gegen die Marke „Ericsson“ bestätigt, dass Exportverbote grundsätzlich eine Nichtbenutzung entschuldigen können.

Dennoch wird sich wohl kaum ein Unternehmen allein auf die Gerichte verlassen wollen. Dies schon deshalb, weil es die Marken nur für solche Waren vor der Löschung retten könnte, die auch tatsächlich vom Embargo betroffen sind. So wurde etwa im Fall des argentinischen Exportverbots die Marke nur für solche Rindfleischteile, deren Export konkret verboten war, aufrechterhalten, nicht für Fleisch allgemein, und im „Ericsson“-Fall unterlag der Markeninhaber sogar vollständig, weil er nicht nachweisen konnte, dass bestimmte Waren unter das Exportverbot fallen. Wenn sich diese Entscheidungspraxis verfestigt, müssen Unternehmen jedenfalls dann um ihre Marken fürchten, wenn sie – aus naheliegenden unternehmerischen Gründen – auch Produkte vom russischen Markt genommen haben, die möglicherweise oder sogar sicher nicht dem Embargo unterfallen. Zudem gibt es in Russland durchaus Stimmen, die dafür plädieren, dass wenigstens einige ausländische Unternehmen sich die Entscheidungen ihres Herkunftslandes zurechnen lassen müssen; diesen Unternehmen wäre die Möglichkeit genommen, ihre Marken mit dem Verweis auf höher Gewalt zu verteidigen.

Damit stellt sich die Frage, wie ein Markeninhaber, der sich nicht auf Russlands Gerichtsbarkeit verlassen möchte, seine Marken absichern kann. Die naheliegendste Idee, die Marken kurzerhand vor Ende der Drei-Jahresfrist selbst noch einmal neu anzumelden – in der Hoffnung, dadurch eine weitere dreijährige Benutzungsschonfrist zu erlangen – greift nicht, wäre dies doch eine offensichtliche Umgehung des Zwecks der Löschungsregel. Weniger streng ist die russische Markenpraxis allerdings, wenn die neu angemeldete Marke gegenüber der ursprünglichen Marke verändert ist, etwa durch Hinzufügen eines Bildelements zu einem Markenwort oder durch Modernisierung eines Markenbilds oder des Warenverzeichnisses. Eine solche modifizierte Marke wird in der Regel nicht mehr denselben Schutzumfang wie die ursprüngliche Marke haben, aber wer geschickt vorgeht, dürfte auf diesem Weg seine Marken dennoch weitgehend retten können.

Glücklich schätzen können sich die wenigen Inhaber von Marken überragender Bekanntheit. Für diese kleine Elite unter den Marken gelten eigene Regeln, die es erschweren, dass Trittbrettfahrer sie kapern. Zumindest von vielen der anderen Marken aber werden wohl bald mannigfaltige Variationen das russische Markenregister zieren, um sie vor den markenrechtlichen Verwerfungen, die die Ukraineinvasion nach sich zieht, zu schützen.